In unserer Entwicklungswerkstatt entstehen neue Konzepte und Modelle, die über Jahrzehnte hinweg schlüssig und wirksam sind.
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Lernen als Prozess geht auch nach der Ausbildung weiter. Deshalb agieren wir als Netzwerkorganisation.
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Zentrale Säule des isb ist das Angebot von Weiterbildungen als Akademie und Professionalisierungsinstitut.
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„Sollen wir beide, oder wie?“ – Simone fragt mich das, lächelnd und lässig, in den letzten Minuten des Mastertreffens 2015 in Wiesloch. Die ersten verlassen schon die Tagung, es herrscht Unruhe im Raum. Für mich und auch für Simone war es das erste Mastertreffen, eine neue, gute Erfahrung - in gewisser Weise „fertig“ zu sein oder zumindest dem Gefühl nach endlich kompetent. Bekanntlich liegt dem Master am isb kein mehrjähriges Studium mit Prüfung zugrunde, und doch wirkt der Begriff innerlich ermutigend. Ein breites „warum nicht!?“ zieht sich emotional eine schöne Bahn durch mein Kopf/Herz/Bauchsystem – damit ist es abgemacht, wir beide schmeißen das Mastertreffen des Folgejahres.
Zu diesem Zeitpunkt gibt es einen Termin und zwei Moderatoren – aber noch kein Thema. Wir denken uns: das braucht es vielleicht auch gar nicht – der Entschluss, ein schönes Treffen zu gestalten, lässt uns zuversichtlich auf die nächsten 12 Monate schauen. Das Thema wird schon kommen, bei allem, was aktuell so in der Berater- und Coachingluft herumfliegt. Über Laloux wurde in den vergangenen Monaten viel gesprochen, Industrie 4.0, Digitalisierung… Simone und ich verabreden, uns in den kommenden Woche zusammenzusetzen – klar, wir brauchen eine Zielvorstellung. Ich lebe in München, arbeite viel und bin meist nicht vor Ort, Simone in Frankfurt mit einem genauso abwechslungsreichen Lebenszuschnitt. Das wird eine Herausforderung, soviel ist klar. Wir nehmen uns jedenfalls ernsthaft vor, in der bevorstehenden Weihnachtszeit intensivste Themenschärfung zu betreiben und nach Möglichkeit Ende Januar 2016 einen Titel, ein Konzept und am besten beinahe alles parat und fertig zu haben. Simone und ich haben seit der Masterzeit einen schönen Draht miteinander, freundschaftlich und im engeren Sinne verständnisvoll. Ich habe in Ihre Dynamik Vertrauen und sie in meine so gut wie immer verfügbare Ressource Zuversicht - flexibel sind wir beide. Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen, oder? Im Januar steht die Rohfassung….
...Es scheint, als ob mit dem Begriff „Agile“ das Unstrukturierte, nur halb absehbare, in Teilen auch mysteriöse des Themenfeldes, uns eine ganze Zeitlang richtig eingeschüchtert hatte [...] Und wir stellen beruhigt fest, auch im systemischen Begriffsinventar finden sich zum Thema „Umgang mit unsicheren Umfeld“ genügend bewährte Konzepte, die dem agilen Ansatz an Mut, Zuversicht und Umsetzungsfähigkeit nicht nachstehen.
Es ist längst Februar– und noch steht nicht sehr viel, keine Rohfassung, kein Konzept. Aber wir sind trotzdem guter Dinge - das Thema haben wir nämlich am Wickel: wir wollen das überall präsente, in vielen Zusammenhängen herumgeisternde Thema „Agilität“ für das Mastertreffen aufgreifen. Nach einem unserer Telefonate bringt Simone den Slogan „Alles agile, oder was“ zu Papier – das trifft´s und gefällt mir spontan. In der flapsigen Formulierung steckt bereits viel von der Unschärfe, die uns beide an buchstäblich jeder Ecke ergreift, in der von Agilem die Rede ist. Wir staunen selber, was es alles gibt, von agilen Führungssystemen, Management, Teamarbeit und so weiter scheint auf den ersten Blick ein wahres Paralleluniversum zum systemischen Geschehen stattzufinden. Simone und ich gehen auf Recherche, unabhängig voneinander sprechen wir mit Menschen, die in unserem Umfeld mit dem Thema vertraut sind. Oder besser gesagt vertraut scheinen – bei konkretem Nachfragen erweisen sich die Antworten, die wir eigentlich suchen, als immer unschärfer, je genauer wir fragen wollen, und die Konzepte, die wir vorfinden, erinnern uns an Themen, die wir schon aus anderen Zusammenhängen kennen. So gut wie jeder, mit dem wir sprechen, ist von der Wichtigkeit überzeugt, sieht in agilen Fragestellungen eine der wesentlichen Herausforderungen der Zukunft und gibt sich zuversichtlich über die steigende Bedeutung. Aber eindeutige Antworten erhalten wir nur an einer Ecke: dort, wo der Begriff seine wesentliche Prägung erhalten hat, im IT-Management von Projekten, ungefähr zu Beginn der 2000er Jahre.
Jeff Sutherland und 17 Kollegen aus der Entwicklung von IT-Systemen formulierten 2001 in Utah einen damals neuen Ansatz zum Aufsetzen Ihrer Projekte, weg vom „Wasserfall“ des etablierten Projektmanagements hin zu einer freieren, die Bedürfnisse des Marktes auch während der Entstehung aufgreifenden Modus. Es ging um die Freiheit nicht nur beim Entwickeln der Projekte, sondern auch in der schnellen Reaktion auf Kundenbedürfnisse, wenn während der Entwicklungszeit andere Aufgabenstellungen auf das Projekt trafen – damals wie heute eine der wesentlichen Herausforderungen in der IT-Welt. Aus diesen Anfängen heraus hat sich heute ein eigener Standard in der Softwareentwicklung herausgebildet: Agile Projektsteuerung, Teams, die durch einen SCRUM-Master gesteuert werden – alles das sind in der IT-Welt längst etablierte Begriffe. Irgendwann in den vergangenen 5 Jahren schwappte die ganze Begrifflichkeit der agilen Methoden im Softwaregeschäft auf Organisationen über, um mittlerweile in so gut wie jedem größeren Unternehmen schlagwortartig als eine der wesentlichen Themen für die nächste Zukunft genannt zu werden.
Simone und ich reflektieren im Frühsommer 2016 über diesen Stand. Wir sind verunsichert – wie können wir das Thema für ein Mastertreffen packen und eingrenzen? Viele Menschen und Organisationen haben über das Thema schon gearbeitet, es gibt im Umfeld der PE und OE zahlreiche Angebote. Wir wollen die Analogien und Widersprüche aufgreifen, erklären, für die Mastergruppe aufbereiten. Zwei- oder dreimal treffen wir uns, in München, Frankfurt oder unterwegs. Ein klares Bild, „wie wir es machen wollen“, ergibt sich nicht. Vieles im agilen Werkzeugkoffer scheint vorläufig, auf das Nächsterreichbare gerichtet, ungeplant – jedenfalls bis zum Ende hin.
Aber wir kommen uns selber mehr und mehr auf die Schliche: offenbar klebt ein Anspruch an uns, möglichst klug und weitgehend selber erst einmal „Bescheid“ zu wissen, wo es in der Agilität insgesamt entlanggeht - eine Art Wegweiser zu sein für die Master des isb: an welchen Stellen können wir die agilen Konzepte gebrauchen, einordnen, für uns nutzbar machen, einsetzen?
Gerade rechtzeitig fällt uns beiden auf, dass wir uns falsche Hüte aufsetzen wollten: wir müssen alle diese Dinge nicht in professioneller Flughöhe aufbereiten. Wir können kein klares Bild liefern, was denn nun an „agil“ hilfreich, wichtig und für uns Systemiker gut nutzbar ist und was nicht – aber wir können uns Leute einladen, die das tun! Menschen, von denen wir denken, dass sie Wissen und Erfahrung mitbringen und von denen wir annehmen, dass sie mit uns gerne diskutieren wollen.
Diese Erkenntnis setzt die nötige Energie frei, das Mastertreffen nimmt Gestalt an. Simone und ich sprechen eine ganze Reihe Leute an, tauschen uns aus und setzen den Rahmen erst, nachdem die Vortragenden, die Inhalte und damit verbunden auch deren Perspektive auf das Thema klar ist: Thomas Heupel (FH Koblenz, Heupel Consultants) wird uns den historischen Begriff erklären und damit die Vorgeschichte klären. Sandra Grioli (Daimler TSS) wird uns aus der Perspektive „Personalentwickler“ Herausforderungen der Umsetzung hineinbringen und (wie sich herausstellt, auch einige Übertreibungen) darstellen. Und schließlich wird uns Thomas Albicker (Lufthansa), der sich selber als „Agiler Pirat“ beschreibt, aus einem sehr managementorientierten Blickwinkel seine Geschichte der agilen Methoden bei der Lufthansa erzählen.
Damit wird auch klar, dass wir als Moderatoren wirklich nur Rahmung und Leitplanken setzen werden. Wie die Gruppe auf unsere Angebote reagiert, ob sich Vortragende, Vortrag und Auditorium zu einem guten Ganzen fügen werden, da lassen wir uns voll und ganz auf den Prozess ein. Das erscheint uns dem Thema angemessen – das Inkrementelle, lange nur vorläufige, im Endergebnis noch nicht klare Vorgehen scheint dem ganzen Thema am ehesten gerecht zu werden.
Wir hätten uns auch vorher schon auf diese gute Grundhaltung einer systemischen Moderation berufen können – die Gedanken finden wir ja überall in unserem systemischen Handwerkskoffer wieder. Es scheint aber so, als ob mit dem Begriff „Agile“ das Unstrukturierte, nur halb absehbare, in Teilen auch mysteriöse des Themenfeldes, uns eine ganze Zeitlang richtig eingeschüchtert hatte. Als wenn bereits die Nennung der bloßen Begrifflichkeit „Agil“ in uns eine Art Defizit, ein „das ist neu und das können wir nicht“ ausgelöst hätte. Und wir stellen beruhigt fest, auch im systemischen Begriffsinventar finden sich zum Thema „Umgang mit unsicheren Umfeld“ genügend bewährte Konzepte, die dem agilen Ansatz an Mut, Zuversicht und Umsetzungsfähigkeit nicht nachstehen.
Alles andere ergibt sich dann beinahe von selbst: Simone bringt Übungen ein, ich plane soweit möglich Ablauf und Dramaturgie, und wir verabreden mit Thorsten Veith und Almuth Pühra eine schöne Unterstützung in Form bewegter Bilder, die wir auch gleich als Abschluß des Mastertages in den Gesamtablauf einbauen. Sehr hilfreich erweist sich auch ein kurz vor der Veranstaltung geführtes Gespräch mit Bernd – er ermuntert uns, kreativ und ergebnisoffen in die Diskussionen zu gehen und uns auch als Mastergruppe gar nicht in eine Position des Erklärens und des Herausarbeitens im Sinne von „Das ist systemisch – und das ist agil“ hineinzugehen. Auch er selber will sich nicht in eine deutende, die Systemik sozusagen auslegende Perspektive begeben und sich nur einschalten, wenn unsere Themen durch die Diskussion vorangebracht werden.
In diesem Geist hatten wir dann eine schöne, auch unterhaltsame und spannende Tagung im Dezember 2016 in Wiesloch.
Simone und ich haben von dem ganzen Prozess enorm profitiert. Wir haben gelernt, wie wir uns einem neuen Thema öffnen, ohne uns von ihm bestimmen zu lassen und das Umfeld, aus dem wir kommen, immer wieder neu als Kraftfeld und Ressource zu betrachten. Abgesehen davon hat das ganze sehr viel Spaß gemacht und den Blick für wesentliche Elemente unserer Arbeit geschärft!
Ein großes Dankeschön noch einmal an: Almuth Pühra für ihre schönen Videos, Katja Baummeister für ihre tatkräftige Mithilfe, Thorsten und Bernd und allen anderen vom Institut für Unterstützung, Rahmung und das Möglichmachen des Mastertreffens 2016!
Nähere Informationen zu den Autoren finden Sie auf deren Homepages
Simone Flesch und Wolfram von Bremen
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