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Freiheit durch Mäßigung

Black Friday – Cyber Monday. Für diese Tage war uns wieder ganz besonders Konsumrausch verordnet. Eine Flut von Einladungen, unsere apollinische Vernunft zu vergessen, die uns vor Augen hält, dass wir durch Unmäßigkeit unsere Seele und den Planeten ruinieren. Der Sturm auf die Kaufhäuser sieht aus wie der Auftakt zu einem dionysischen Kult. Wir suchen Sinnesrausch und torkeln auf böses Erwachen zu.

Mir fällt dazu ein, dass die damalige Weltmacht Großbritannien China dadurch in seinem ausbeuterischen Würgegriff halten konnte, dass Widerstand in Opium-Höhlen zum Versacken gebracht wurde. Oder in Indien mit einer Handvoll Soldaten Millionen dadurch unter Kontrolle halten konnte, indem Maharadschas als ihre Marionetten ein verschwendungssüchtiges Leben (vor-)führen durften. So konnten sie Unterwerfungsbereitschaft und religiöses Verehrungsbedürfnis ausnutzen, bis dann Gandhi dieses System mit mutiger Trägheit der Massen aushebelte.

Bei uns sind es andere oligarchischen Systeme, die sich und uns mit solchen Mechanismen bedienen, mittlerweile erheblich diskreter. Ihre Protagonisten hoffen vermutlich, die sich auftürmenden Krisen, ja selbst das Artensterben und andere Katastrophen, profitabel zu überleben. Derzeit haben wir keinen Gandhi, der zum mutigen Widerstand der Mehrheit anleitet. Auch können die Rezepte nicht mehr ganz so einfach sein. Aber die Grundfragen sind dieselben. Immerhin empfiehlt uns der Dalai Lama, sicher kein Kind von Traurigkeit, wenn wir uns paradiesisch anmutenden Angeboten gegenüber sehen, bei jeder Entscheidung sorgsam zu prüfen, ob uns das wirklich glücklicher macht. Dass Geld und Konsum nach der Befriedigung basaler Bedürfnisse nur begrenzt und für kurze Zeit glücklicher macht, ist mittlerweile von der Gehirnforschung belegt.

Ich selbst bin Schwabe und Nachkriegskind und von daher eh mit einer DNA und epigenetisch verankerten Erfahrungen ausgestattet, bei der Luxus-Versprechen kaum Chancen haben. Sicher gibt es auch die problematischen Varianten unserer Spezies, die, eng und lustfeindlich gesinnt, einfach nur sparen wollen. Aber die gesunde Variante zeigt sich in Großmut, in Verträglichkeit mit den Belangen anderer Lebewesen und Fürsorglichkeit für die Ressourcen unseres Planeten. Leben und Leben lassen, aber eben nicht in der neo-liberalen Variante, bei der die Rücksichtslosesten vorne liegen, sondern in der Freude an der Freiheit aller, die durch Mäßigung entsteht. Reich ist nicht, wer alles hat, bis er darin erstickt, sondern zugänglich hat, was er wirklich braucht und spürt, was ihm selbst und anderen in der Seele guttut.

Ich weiß, dass ein bisschen Flugverzicht meinerseits nicht über die Rettung der Welt entscheidet, wenn der neue Flughafen in Istanbul im Endausbau für 150 Millionen Passagiere jährlich ausgelegt ist. Ich weiß, dass unser Wirtschaftssystem dilemmahaft so gebaut ist, dass nachlassender Konsum erst mal eine Menge Sand ins Getriebe streut. Doch gut geschmiert bewegen wir uns dynamisch auf einen Abgrund zu. Ich weiß, dass keine alternativen Wirtschaftsmodelle ausgearbeitet sind und wenn, Alternativen nicht einfach umzusetzen sind.
Doch immerhin hab ich mich an keinem der Konsumkulttage beteiligt, sondern mich diebisch gefreut und war dabei, als jemand als Alternative den „Kaufnix-Tag" ausgerufen hat. Bei manchen Dingen, wie z.B. einem Noise-Cancelling-Kopfhörer tut es mir auch ein bisschen Leid, dass ich kurz vor dem Drücken des Jetzt-Kaufen-Knopfes gemerkt habe, dass ich das Ding nicht wirklich brauche und ein ähnliches Schnäppchen seit Jahren unbenutzt rumliegt. Ich will vielleicht auch nicht für alle Zeiten darauf verzichten. Ich mach es wie beim Essenfassen, bei dem ich immer noch den Reflex habe, mir den Teller viel zu voll zu packen. Ich zügle mich mit dem Versprechen, später mehr zu bekommen, wenn ich wirklich noch möchte. Oft genug erledigt sich das dann. Die etwas verspätet einsetzende Wahrnehmung signalisiert mir meist rechtzeitig: Ich bin satt.

Kommentare

Von: Herrmann Pooth

Oh wie wahr lieber Bernd,
du sprichst mir aus der Seele.
Und in diesen Tagen, wo wir zum Konsumverzicht gezwungen sind, sollten
wir uns überlegen, ob dieser Verlust wirklich einer ist, den wir durch
online shopping ersetzen wollen, oder lieber innehalten.
An die frische Luft gehen und die Natur geniessen, lesen, Musik hören,
kreativ sein oder entrümpeln (auch den seelischen Ballast) können
unser Konsumbedürfniss mehr als überkompensieren.
in herzlicher Verbundenheit
Hermann

Von: Luzia Grommes

Lieber Bernd,
ich sah einen Buddha- da wollte ich doch mal genauer lesen und hören,
was Du uns "Gutes" mit auf den Weg gibst - wie Du aus der Seele
sprechen kannst.

Ich bin eine Eifler Mädchen - geboren und
aufgewachsen auf einem kleinen Bauernhof - es ging um die reine
Existenz und das Sattwerden und Großwerden der Kinder - und nicht um
"Luxus".

Das Elternhaus ist jetzt mein "Auszeit" haus - auf den Wurzeln meiner
Ahnen erlebe ich den Wert immer wieder neu, von Einfachheit, Echtheit,
Natur und Gelassenheit - die Veränderungen nehmen wie sie kommen.

Ich frage mich oft, was hätten meine Eltern und Großeltern zu den jetzigen
Zeiten gesagt und wäre der "Verzicht" für Sie wirklich von Bedeutung?
Das Leben nehmen wie es kommt - sich den Veränderungen anpassen - das
lernt der Bauer von Grund auf. In diesem Sinne wünsche ich Dir alles Gute!
Luzia

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