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Macht der Gewohnheit - Bernd Schmid

Liebe Leserinnen und Leser,

ich freue mich darüber, dass Ihr alle stetes Interesse an meinen Blogs zeigt und meine Gedanken zu mir wichtigen Themen lest.

Ich habe mich ja nun aus dem aktiven Berufsleben zurückgezogen. Schreiben tue ich weiterhin. Parallel hat sich aus „Bernds Blogs" in den letzten Monaten eine Plattform entwickelt, die auch von anderen bespielt wird. Das freut mich und es zeigt, wie lebendig das isb als „eine von Vielen getragene Organisation" mit Engagement gestaltet wird.

„Mein" Blog hat sich also geöffnet. Neben meinen Essays, die Ihr auch weiterhin erhaltet, werden nun auch die Beiträge anderer Autoren veröffentlicht werden, sicher öfter vom isb Leiter Thorsten Veith.

Ihr seid also weiterhin zum isb-Blog eingeladen, und ich freue mich, wenn Ihr mir und uns treu bleibt.

Herzlich,
Bernd Schmid


(Dieses Bild und viele weitere finden Sie zum kostenlosen Download in Bernd Schmids Bildbox)

Je älter ich werde, desto mehr glaube ich, dass für Änderungen in der Lebensführung der Umbau von Gewohnheiten entscheidend ist.

Ich erinnere mich an das muffige Flair, das in den 1970er Jahren „Gewohnheitsmenschen" umwehte. Ein „Krieger" (das Gegenbild und natürlich ein Mann) hatte hingegen keine Gewohnheiten und war daher vor Nachstellungen geschützt. Dabei übersahen wir völlig, dass ohne Gewohnheiten nichts funktioniert, auch nicht für einen Krieger.

Richtig war und ist: Eingeschliffene Gewohnheiten, Gewohnheiten des Denkens und Fühlens, des Verhaltens und Zusammenspiels, können Lebendigkeit und Entwicklung ersticken. Wie kann man solche Gewohnheiten aufbrechen?[1] Die Kunst des Dekonstruierens von verfestigten Wirklichkeiten wurde damals unsere ganze Passion. Systemisch am besten durch paradoxe Interventionen?! Besonders amüsant und inspirierend fanden viele unsere Beratung bei Asterix und Obelix[2].

Seither ist eine ganze Generation von systemischen Beratern damit beschäftigt, Kunden aus dysfunktional gewordenen Gewohnheitswirklichkeiten zu befreien. Erst einmal frei, würden sich die Systeme dann „neu kalibrieren", hoffentlich auf besserem Niveau. Und es ist ja immer noch richtig, dass man problematisch stabile Gewohnheiten irgendwie verstören, irgendwie flexibler kriegen muss, damit überhaupt etwas Neues geschehen kann. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass neue Erlebens- und Verhaltensweisen bei Einzelnen, in Beziehungen, Teams und Organisationen durch beständige Übung als neue Gewohnheiten erst gefestigt werden müssen, als ein „Wir haben es uns mit der Zeit zur lieben Gewohnheit gemacht..."

Die Chancen, Neues beizubehalten und gegen den Sog der alten Gewohnheiten zu verteidigen, steigen dramatisch, wenn man einige Erkenntnisse beachtet. Die neuen Gewohnheiten müssen so konzipiert werden, dass sie, auch wenn ihre Verwirklichung ihren Preis hat, unterm Strich als Gewinn angesehen werden. Insofern sind Motivation und Einsicht schon wichtig. Änderungen sollten gewollt werden, zumindest aber das Verlassen der alten Positionen. Wann Willen erwacht, ist schwer einschätzbar und kaum von außen zu bewirken. Manchmal beschert einem das Schicksal ein Müssen. Das ist zwar weniger edel, kann aber durchaus evolutionsförderlich sein. Schöner ist natürlich, wenn Wille und Kraft innerlich reifen, wenn man aufrecht aufbrechen kann, bevor einen das Schicksal auf den Knien schleift. Dazu braucht es Spielräume. Wille braucht Kraftreserven. Man muss sich

[1]Schon etwas differenzierter: Gegen die Macht der Gewohnheit. Systemische und wirklichkeitskonstruktive Ansätze in Therapie, Beratung und Training. Erschienen in Zeitschrift für Organisationsentwicklung (ZOE) 4/87, S. 21-42
[2]Soziale Netzwerk-Intervention und zirkuläres Fragen am Beispiel des gallischen Dorfes Klein-Bonum. In : Gegen die Macht der Gewohnheit. Systemische und wirklichkeitskonstruktive Ansätze in Therapie, Beratung und Training (S. 14ff.). Siehe auch Schmid, Bernd: Systemische Professionalität und Transaktionsanalyse. Bergisch Gladbach EHP 2004. S. 23 ff.

von seinen sonstigen Anforderungen hinreichend entlasten, um es überhaupt mal anzugehen. Am Limit ist für stabile Neuorientierung keine Kraft.

Doch auch Einsicht und Willen allein reichen meist nicht. Es braucht auch kluge Designs und Strategien, um Gewohnheiten auf- oder umzubauen. Z. B. sollten die Schritte mit Spielraum machbar sein und so Abweichungen ohne „Niederlage" eingefangen werden können. Ich habe beispielsweise bemerkt, dass ich nachhaltiges Abnehmen erst schaffte, als ich ein einfaches Intervallfasten mit wenigen Regeln wählte, das auch mal ausfallen und jeden Tag neu aktiviert werden kann.

Für die Gewohnheiten von Systemen gilt wohl fast alles, was wir von uns persönlich kennen. Systemgewohnheiten sind deshalb schwer zu ändern, weil viele Zusammenspiele, Interessen und Kräfte dafür gebündelt werden müssen. Organisationen, die dringenden Änderungsbedarf empfinden, versuchen es meist mit zu schlichten oder einseitig modischen und am Ende mit brachialen Mitteln, weil sie nicht wissen, was sonst tun. Doch der Schlüssel liegt in der Weiterentwicklung ihrer Kultur[3], insbesondere von Lernkultur. Systemeffekte sind dabei entscheidend. Lernprozesse Einzelner, wenn auch gut gemacht und üppig ausgestattet, wirken ebenso zu wenig wie gute Vorsätze, weil alte Gewohnheiten durch unbewusstes Zusammenspiel befeuert werden. Ihr Sog kann durch Einzelne oder punktuelle Maßnahmen selten überwunden werden. System-Lernen[4] bietet hier deutlich bessere Chancen.

Allerdings erfordert System-Lernen seinerseits den Umbau von eingeschliffenen Bildungsgewohnheiten. Beispielsweise sollte statt zusammengewürfelter Seminare Lernen nahe an der Arbeit und im Alltag organisiert werden. Die wichtigen Player werden eingebunden und lernen miteinander an konkreten Beispielen ihrer gemeinsamen Verantwortung. Werden neue Zusammenspiele dann unter Alltagsbedingungen länger geübt, stabilisieren sie sich als neue Kulturgewohnheiten. Obwohl das zunächst eine anspruchsvollere Inszenierung erfordert, kann so Entwicklung schon mittelfristig einfacher und vor allem ökonomischer sein. Auch im System-Lernen gibt es niederschwellige Einstiege, um nachhaltige Lernkultur-Entwicklung auf den Weg zu bringen. Sollten wir uns überzogene Erwartungen an schnelle Lösungen angewöhnt haben, wäre das auch eine Gelegenheit, uns auf ein realistisches und menschliches Maß umzugewöhnen.

Kommentare

Von: Gerhard Evers

Einige Zitate:

" Die neuen Gewohnheiten müssen so konzipiert werden, dass sie, auch wenn
ihre Verwirklichung ihren Preis hat, unterm Strich als Gewinn angesehen
werden."

"Änderungen sollten gewollt werden, zumindest aber das Verlassen der alten
Positionen."

"Manchmal beschert einem das Schicksal ein Müssen."

Lieber Herr Schmid, ihre Gedanken sprechen mir aus dem Herzen, nachdem ich
Jahrzehnte in der Führung von Unternehmen erleben durfte, dass es genauso
geht. Aber in Zukunft?

Heute erlebe ich die Wirklichkeit meiner Top Manager - Coachees und die
Unternehmenswelt anders.
Und ich spreche hier nicht von Start Ups oder digital-virtuellen
Unternehmen, wie Google, Amazon und Co.

Sondern von der " old economy" ( und das ist mit Abstand immer noch die
Mehrheit der Arbeitsplätze und wird es in den nächsten 10 Jahren auch
bleiben, danach?).
Das Tempo in dem fundamental gefordert wird etwas zu ändern, aber
gleichzeitig täglich beste Ergebnisse und existenzsichernde Rentabilität zu
gewährleisten, überfordert die Menschen auf allen Ebenen der
Orgsansisationen und es tritt das ein, was sie in Ihrem Text auch erwähnt
haben, siehe die Sätze, die ich zitierend herausgepickt habe.

Ich bin leider überzeugt, dass viele Unternehmen , gerade auch in
Deutschland, vor sehr herausfordernden Zeiten stehen und Veränderung nicht
konstruktiv und menschengerecht von statten gehen wird. Nicht, weil es an
Willen und Überzeugung fehlt, sondern die wirtschaftlichen und
technologischen Rahmenbedingungen es nicht zulassen werden, weil sie
derartig komplex, rasant schnell und unüberschaubar sind.
Und das ist die Frage...was ist zu tun? Was kann man tun? Wie ehrlich müssen
wir uns machen?

Um das hier nicht zu lang werden zu lassen, ich finde u.a. D.Precht hat
hierzu vielerlei gesagt, was auch auf You Tube zu sehen ist, dem ich nur
zustimmen kann. Es geht um Revolution und einen vollständigen
Paradigmawechsel auf vielerlei Ebenen.
Etwas, was ich in 40 Jahren, durchaus von allerlei Veränderungen geprägten
Berufsleben ( Wiedervereinigung, Internet, Euro...), noch nicht miterlebt
habe.

Herzliche Grüsse aus Hamburg. Gerhard Evers

Von: Dr. Luzia Grommes

Hallo Bernd,

danke für Deine Ausführungen.

Als Gesundheitscoach und Beraterin beschäftige ich mich seit über 30 Jahren
mir der "Macht der Gewohnheiten". Im ersten beruflichen Leben mit der
Gesunderhaltung (rehabilitativ) und danach eher "präventiv" orientiert. Der
Volksmund spricht u.a. gerne von der Metapher des "Schweinhundes", der die
Umorientierung und neue Wege verhindert.
Ich bin ganz bei Dir, dass für die Gewohnheiten von System wohl vieles gilt,
was wir auch bei uns persönlich kennenlernen. Deshalb ist die
Selbstreflexion bei diesen Themen immer für mich der gute Zugang und
Sensibilisierung. Egal ob gesundheitsorientiertes Führen oder
Stressmanagement oder Resilienz im Team etc.

Deine gewählte Methode zum Abnehmen ist ja in aller Munde. Wir nannten den
veränderten Umgang mit z.B. Essen in der Klinik damals auch "flexible"
Kontrolle. Man könnte auch sagen, an die Situation bewusst angepasst. Die
Motivation z.B. das ich einen Gewinn habe, ist ja auch eine Hauptmotivation
bei Veränderungsprozessen in Firmen. Wenn der Mitarbeiter keinen Vorteil für
sich ausmachen kann, warum sollte er mitziehen. Die gewählte Methode sollte
der Persönlichkeit angepasst sein...

Ich könnte noch einiges dazu schreiben - habe jetzt einfach mal spontan
meine Gedanken dazu geschrieben...ist nicht sortiert...

Frohe Ostern...mit leckerem Essen.

Es grüße Dich Luzia aus dem Rheinland

Von: Marc Minor

es spricht mir mal wieder aus der professionellen Seele...
manche Nebensätze, die recht beiläufig daherkommen, hätten eine enorme
Wirkung auf die ganze Weiterbildungsbranche... "diejenigen sollten
zusammenlernen, die eine Verantwortungsgemeinschaft sind"... statt
Verschickung auf isolierte Seminare... lernen die zusammen, die für einen
Output zuständig sind... das könnte mal das klassische Team mit Chef
sein..., das könnte mal ein agiles Team sein..., das könnte mal Vorstand und
ausgewählte Bereichsleiter sein..., das könnte auch mal die ganze Vertikale
Kette über alle Hierarchien sein... wie wirksam wäre Lernen, wenn man nun
in bestehende Events bei Arbeit an den konkreten Themen die verschiedenen
ISB Modelle und Didaktiken einführte... behutsam, mit Augenmaß,
homöopathisch, aber auch wiederholt und hartnäckig... also Modelle wie
Rolle, Verantwortung, Kulturbegegnung, Perspektiven-Ereignis-Modell,
Dialogmodell der Kommunikation, "Ich Du - Ich ES" etc etc und dabei
praktisch Hypothesenbildung, hochwertige Auftragsklärung, fokussierte
Abstimmung (statt ewig langes Texten) eingeübt würde... und achso, und FKK
(Freundlich-Kompetente-Konfrontationskultur) würde en passant sowieso
einstudiert... als Kontrast zu Fingerpointing oder Verschickung auf das x.
Konflikttraining

Von: Rieke Engelhardt

Gewohnheiten zu nutzen, um Veränderung zu schaffen ist eine der wichtigsten Erkenntnisse, die ich aus meiner Ausbildung am ISB mitgenommen habe. Lernen muss nah an der Lebenswirklichkeit erfolgen und diese Form des Lernens muss erst mal als solches erkannt werden. Immer noch findet Entwicklung in Seminaren an wunderbaren Orten statt. Das ist wichtig. Daneben wäre es aber wunderbar die bestehenden Möglichkeiten der virtuellen Welt verstärkt zum Lernen und Entwicklung zu nutzen an statt zur Verwirrung und zur Beschäftigung und Ruhigstellung.
Die Chancen kleiner Einheiten integriert und bunt zur "Erbauung" eines neuen Bewusstseins über sich und die Welt. Ambidextrie - Flexibilität in Gewohnheiten zu Integrieren und zur Entwicklung zu nutzen ist keine neue Erkenntnisse. Der gesicherte Rahmen der Gewohnheit birgt große Schätze....gehen wir also Schätze entdecken!!

Von: Denis Gautheret

Lieber Bernd,

das Wort Digitalisierung hast Du nicht benutzt, doch dieses schwebt mir die ganze Zeit im Kopf beim Lesen.
Dein Blog ist eine perfekte Steilvorlage,(..) eigene neue Gedanken zu entwickeln, damit die eigene Digitalisierungsstrategie bzw. deren Umsetzung erfolgt. Einfach wow!

LG
Denis Gautheret

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