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Neue Ansätze - Bernd Schmid

Lächerlich! Unwissenschaftlich! Das war die Reaktion der herrschenden Lehre, als der Arzt William Harvey im 17ten Jahrhundert Beobachtungen zur Theorie verdichtete, dass unser Blut im Kreis läuft. Wegen der gefürchteten Konsequenzen für die gesamte Physiologie und Pathologie dauerte es viele Jahre, bis der Blutkreislauf Allgemeinwissen der Medizin wurde. Kaum vorstellbar aus heutiger Sicht. Aber es sollte uns zur Vorsicht mahnen. Weiß denn jemand, wie viel wir schon in den jeweiligen Gebieten wissen? „Was wir wissen, ist ein Tropfen, was wir nicht wissen, ein Ozean", sagte schon Sir Isaac Newton.

Rund 350 Jahre später vertreten Wissenschaftler um Prof. Albert F. Popp eine Bio-Photonen Theorie[1]. Diese geht davon aus, dass zu den entscheidenden Eigenschaften von biologischen Zellen Schwachlicht zählt. Bio-Photonen würden interne Prozesse und Kommunikation entscheidend beeinflussen. In den letzten Jahren hört man kaum mehr davon. Liegt es daran, dass die Hypothese einer solchen Wirkkraft einer aufgeschlossenen wissenschaftlichen Prüfung wirklich nicht standgehalten hat oder daran, dass sie durch die Erkenntnisraster des Establishments gefallen ist?

Gerade habe ich einen neueren Fernsehbericht über Faszien-Forschung gesehen[2]. Faszien sind nicht nur die weißen Häute um die Muskeln, die wir vom Kochen her kennen, sondern ein komplettes Netzsystem, das den ganzen Körper durchzieht, den gesamten Skelett- und Muskelapparat entscheidend beeinflusst, aber auch direkt mit dem Immunsystem und psychischen Prozessen interagiert. Über Außenseiter und erst langsam gewinnt dieses Körpersystem Beachtung in der Medizin. Aber auch technische Entwicklungen z.B. im Bereich der Ultraschalluntersuchungen zeigen jetzt, was Praktiker schon lange ertasten konnten. Einer der mittlerweile anerkannten Pioniere, Robert Schleip,[3] kommt von der physio-therapeutischen Praxis her (Rolfing) und war als junger Psychologe in unserer Weiterbildung. Wieder mal ein wissbegieriger „Außenseiter", der übersehene Phänomene ins Licht rückt.

Neuere biologische Forschungen beschäftigen sich mit der Selbststeuerung und der Kommunikation von Pflanzen[4]. Die Wurzeln können z.B. den Blättern mitteilen, wie viel Feuchtigkeit sie verdunsten sollen. Bäume und Sträucher können ihre Nachbarn vor einfallenden Schädlingen warnen, mit Pilzen an den Wurzeln Austauschverhältnisse „verhandeln", wie auch über Düfte spezifisch Fressfeinde von Schädlingen herbeirufen. Da scheint es interne Steuerung zu geben, die der Funktion eines Nervensystems entspricht. Da scheint es Sende- und Wahrnehmungs-Möglichkeiten und Codesysteme zu geben, für die man Beschreibungskategorien erst erfinden muss. Begriffe wie „Bio-Neurologie" und „Phyto-Hormone" rufen bei den Statthaltern geläufiger Verständnisse Empörung hervor. Dabei gäbe es in der Sache genug zu diskutieren.

Auch die Epigenetik-Forschung nimmt immer mehr Fahrt auf. Was man bei Gen-Betrachtungen als „Abfall" beiseite gelassen hatte, hat sich als „die Software des Gen-Systems" entpuppt. Durch sie wird über An- und Abschalten von Geneigenschaften entschieden. Ihre Programmierung wird durch Erfahrungen beeinflusst. Epigenetik beschreibt, wie unterschiedliche Antwortschemata bei gleicher genetischer Strukturausstattung je nach Umwelt und individueller Erfahrung entwickelt werden. Diese Antwortschemata werden sogar vererbt. Schon C.G.Jung ging von Weitergaben von psychischen und kulturellen Erfahrungen aus und prophezeite einen künftigen wissenschaftlichen Nachweis. Epigenetik erlaubt nun, die Vererbung von Erfahrungen über Generationen empirisch zu untersuchen.

Das wiederum unterstützt neueres Denken in der Psychotherapie. Es stellen sich hier Fragen, wie viel psychisches Erleben auf Ereignisse aus der eigenen Biographie und wie viel auf Erfahrungen voriger Generationen zurückzuführen ist? Jeder tritt auch ein Erfahrungserbe an und muss es verantworten. Herausforderungen einer Generation führen zu Entwicklungsstrebungen in der nächsten Generation. Diese sind dann getrieben, neue Antworten zu suchen, und sie geben den Stand der Entwicklung wieder epigenetisch an die nächste Generation weiter.

Faszinierend für mich sind Schlussfolgerungen über das Darwin'sche Prinzip von Mutation und Selektion. Ich konnte mir nie vorstellen, dass komplexe Entwicklungen über reine „Zufalls-Mutationen" funktionieren sollten, auch nicht, wenn man schier endlose Zeitdimensionen annimmt.
Jetzt kann ich mir die Mutation als ein relativ gezieltes Antwort-Experiment auf eine „geerbte Herausforderung" vorstellen, also als „gerichtete Mutation". Selektiert werden dann die Antworten, die am besten passen. „Survival of the fittest" wäre dann zu übersetzen als Stärkung der Evolutionszweige, in denen unter den jeweiligen Umständen Antworten in die richtige Richtung weiterentwickelt und an nächste Generationen weitergegeben wurden. Die Entwicklung von Symbiosen[5] und Kooperationen scheint hierbei neben Wettbewerb eine entscheidende Rolle zu spielen.

Faszinierend diese neuen Triebe am Baum der Erkenntnis! Und doch wissen wir das meiste nicht. Immerhin verlieren überkommene Schemata an Bedeutung, und andere gewinnen. Die klassische Gegenüberstellung, ob Anlage oder ob Umwelt entscheidet, transformiert sich z.B. in Diskussionen, wie man sich Gewichtung und Zusammenspiel bei einem Sowohl-als-auch vorstellt. Ist das nicht schön, wenn man an der geistigen Entwicklung seiner Zeit teilhaben darf, auch wenn einem leider nur ein sehr kleiner Ausschnitt aufscheint?

Liebe Blog-LeserInnen!
Vielleicht habt Ihr es bemerkt. Ich melde mich (nun im Ruhestand) nur noch sporadisch im Blog zu Wort. Immer öfter habe ich das Gefühl, schon geschrieben zu haben, was ich zu sagen habe. Dann will ich mich nicht wiederholen, sondern auf die bald 150 Blogs der letzten Jahre verweisen. Das meiste dort scheint mir aktuell wie eh und je. Gerne schreibe ich weiterhin, wenn es mich drängt oder auf Anfrage zu Themen, die Euch Leser bewegen. Bitte an schmid@isb-w.eu. Hinzu kommt, dass wir vom isb nun einen monatlichen Newsletter versenden, in dem die Themen, die uns beschäftigen, sehr lebendig behandelt werden. Er ersetzt zum Teil die Blog-Funktion. Wer Interesse daran hat: Hier registrieren.

Kommentare

Von: Dr. Luzia Grommes


Hallo Bernd,

schön wieder einen Blog von Dir zu lesen! Ich als ursprüngliche Biologin und
lange im medizinischen Bereich tätig, war ständig mit evidenzbasierter
Wissenschaftsnachweisen konfrontiert. Ich habe mich in meinem zweiten
Berufsleben dann ja auf "Verhaltensänderungen" konzentriert, wo es schwierig
wird mit wissenschaftlichen Nachweisen, Zudem habe ich erfahren, dass gerade
auch wiss, hinterlegte Theorien nach Jahren dann widerlegt bzw. doch stark
hinterfragt wurden. Das bestätigt Deine Ansicht...wie viel Wissen ist da und
wie groß ist noch das Unwissen. Gerade bei Therapien von Krankheiten ist
dies auch zu beobachten.

Ich fühle mich auch angesprochen, wenn Du von wissen begieriger
"Außenseiter" spricht. Genau so habe ich mich mit meinem Themenkreis Gesunde
Organisaton-gesunder Mensch gefühlt. Ich weiss noch Deine Skepzis als ich
meine Ausbildung absolviert hatte,vor ca 8 Jahren und später als ich an ein
paar Modulen in der OE teilgenommen habe. Es gibt mittlerweile vermehrt den
Studiengang "Gesundheitsmanagement" oder "Gesundheitsförderung" etc. Der
russische Zukunftsforscher "L. Nefiodow" hat seinen 6. Zyklus der
Entwicklung der Wirtschaft u.a. diesem Themenbereich zugeschrieben.
Die psychische Gesundheit muss heute gesetzlich in den Firmen systematisch
analysiert werden....es tut sich immer mehr.....An der Hochschule werden
Professuren eingerichtet.
Auch hier gibt es keinen glasklaren Beweise über Wirkung oder nicht Wirkung
- es ist nach wie vor eine Frage der Haltung und Überzeugung im Umgang mit
Menschen und was und wie ich Erfolg haben möchte.

Ich wünsche Dir weiterhin die Gesundheit, die Dir ermöglicht Deine Leben so
zu gestalten, dass Du zufrieden bist.

Herzliche Grüße aus Düsseldorf
Luzia

Von: Dr. Sina Bardill

Lieber Herr Schmid,

Ganz herzlichen Dank für diese spannenden Gedanken (ich bin froh, dass Sie sie geschrieben haben - und Sie treffen ein Grundgefühl von mir: finde ich es doch sehr anregend und auch entlastend, das Wissen als entstehend und sich entwickelnd zu verstehen - wobei man auch schon wieder überlegen könnte, was mit "Wissen" gemeint sein kann...).

Eine ganz andere Frage habe ich aber noch: Das Foto gefällt mir unglaublich gut. Darf ich es verwenden?

( Antwort von Bernd Schmid: Klar dürfen Sie das, wie die vielen anderen auf https://www.dropbox.com/sh/znbtape0sygj57z/AACIvMjhu3uLByA0rcbREnJTa?dl=0)

Mit einem herzlichen Gruss, aus den Schweizer Bergen, zu Ihnen in den Norden!
Sina Bardill

Von: Claudia Blacha

Hallo Bernd,

zum Thema Mutation und Evolution (und speziell zum Thema wissbegieriger
Aussenseiter) habe ich unlängst hier eine ganz interessante Buchbesprechung
gelesen:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=42463 - über ein Buch von Lynn Marguliss, einer Wissenschaftlerin, die lange über Kooperation und Symbiose geforscht hat.

Nach über 20 Jahren ist das Buch nun wieder in einer deutschen Übersetzung
veröffentlicht worden.
https://www.westendverlag.de/buch/der-symbiotische-planet-oder-wie-die-evolu
tion-wirklich-verlief/

Vielleicht interessiert es dich ja.

Herzliche Grüsse und alles Gute,
Claudia

Dazu Bernd Schmid:

Liebe Claudia,
Danke für den Hinweis. Lynn ist mir in der Scobel-Sendung über die Macht des Miteinander schon begegnet http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=71455.
Es ist schon erschütternd wie lange solche Ideen brauchen, bis sie neben den herrschenden Ideologien überhaupt wahrgenommen werden.

Herzlich Bernd

 

Von: Rudolf Lütke Schwienhorst

Lieber Thorsten, lieber Florian,

danke für Eure Impulse, die ich gerne aufgreife:
1. Die Wahrheit der Situation spricht seit mehreren Jahrzehnten von
zunehmender Dynamik der Umwelten. Dies erleben unsere Klienten jeden Tag
hautnah und geben den Druck, der aus dieser Dynamik entspringt sehr gerne an
uns weiter.

2. Dabei geht das menschlich Maß ganz schnell verloren. Deshalb haben wir in
der gfo den Leitspruch kreiert:
Gute Organisation ist, wenn der Mensch der Zweck und nicht das Mittel ist.

3. Unser Angebot - auch gemäß den 3 Schwänen - kann nun darin bestehen
- anzukoppeln und "mitzuschwimmen" und in der Konsequenz das Lernen in die
Dynamik einzubauen (blended learning in allen Varianten; "inverted
classrooms", etc.)
- zurückzumelden, was wir beobachten (Dynamik des Systems als Anpassung an
die Dynamik der Umwelt) und damit verbunden die Frage zu stellen: ist das
wirklich die adäquate Reaktion?
- das Zusammenspiel der Rollen von Klient und Berater in den Blick nehmen
und reflektieren, ob es in dieser Situation noch bessere Rollenverteilungen
im Interesse des Systems geben könnte.

4. Und wo liegt nun die Metakompetenz, herauszufinden, auf welcher Ebene dem
System am besten gedient ist?

Herzliche Grüße - Rudolf

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