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Verlangen nach Geltung - Bernd Schmid

Liebe Blog-LeserInnen!
Vielleicht habt Ihr es bemerkt. Ich habe mich (nun im Ruhestand) nur noch sporadisch im Blog zu Wort gemeldet. Immer öfter habe ich das Gefühl, schon geschrieben zu haben, was ich zu sagen habe. Dann will ich mich nicht wiederholen, sondern auf die bald 150 Blogs der letzten Jahre verweisen. Das meiste dort scheint mir aktuell wie eh und je. Gerne schreibe ich weiterhin, wenn es mich drängt oder auf Anfrage zu Themen, die Euch Leser bewegen. Bitte an schmid@isb-w.eu. Hinzu kommt, dass wir vom isb nun einen monatlichen Newsletter versenden, in dem die Themen, die uns beschäftigen, sehr lebendig behandelt werden. Er ersetzt zum Teil die Blog-Funktion. Wer Interesse daran hat: Hier registrieren.

In den nächsten Newslettern wird nach und nach auch von meinen Abschiedspräsentationen auf verschiedenen Bühnen berichtet, z.B. vom Weltkongress TA 2017 in Berlin und der Verleihung des Lebenswerkpreises der deutschen Gesellschaft für Transaktionsanalyse an mich. Aus diesem Anlass kreist der heutige Blog um das Verlangen nach Geltung.

Zu meinem „Berufsjubiläum 40 plus" im Dezember 2016 hatte ich 40 Bilder-Kollagen zusammengestellt.  Diese erzählen von meinen Berufslebensbereichen und -phasen, von wichtigen Themen, Berufspartnern und –freunden. Eigentlich, was an besonderen Erfahrungen geblieben ist, was geschaffen und von anderen weitergetragen wurde, was vielleicht auch nach mir einige Zeit Bestand haben wird. Hierzu gehören auch Bilder von öffentlichen Ehrungen, durch die meine Arbeit gewürdigt wurde. Man könnte sie weglassen und so tun als wären sie nicht wichtig. Doch das stimmt nicht. Solche Anerkennungen haben mir Genugtuung bereitet.

Warum ist mir Geltung wichtig?
Reichen nicht gute Lebenserfahrungen? Reichen nicht persönliche Resonanzen von Menschen, die mir wichtig sind, die mich wertschätzen und mögen? Reicht nicht, dass etwas geworden ist und weiterlebt, von Menschen aus innerer Überzeugung und in Verbundenheit mit mir als Gründer weitergetragen? Reichen nicht erlebte Wirksamkeit, die persönlichen Beziehungen und Freundschaften, die ich erleben durfte und von denen viele weiter lebendig sind? Irgendwie schon. Und, wenn ich wählen müsste, dann wären sie mir unentbehrlicher. Und doch habe ich bei öffentlicher Würdigung in meinen Bezugsfeldern eine eigene Genugtuung empfunden. Denn um solche Anerkennung habe ich gerungen. Und oft habe ich mich insbesondere in den ersten Jahren verkannt, kleinmütig kritisiert oder -noch schlimmer- abschätzig ignoriert gefühlt. Es tut mir gut, wenn heute auch die mit den Vorbehalten Respekt zeigen.

Um welche Art von Geltung geht es mir?
Ich möchte nicht bewundert werden. Ich möchte an-erkannt werden, für das, was ich wirklich hingekriegt habe. Ich suche Resonanz dafür, was ich wirklich kann, bin und bewirken durfte. Verklärungen und Schmeicheleien langweilen mich. Wenn ich am Verhalten, am Reden, an kritischen und weiterführenden Beiträgen anderer erkenne, dass sie mich gesehen und meine Punkte verstanden haben, bin ich zufrieden. Wenn sie mich noch zusätzlich ausdrücklich würdigen, gerne.
Bin ich Geltungs-süchtig? Ich glaube nicht. Denn mit erlangter Geltung, ist mein Hunger gestillt. Es darf dann auch genug sein. Will ich Konkurrenz ausstechen? Nein, denn ich kann richtig begeistert sein, wenn andere wirklich was können oder sind. Will ich mich hervortun? Nein! Ich will nicht mehr Geltung als mir im Verhältnis zu anderen wirklich zusteht. Ich erlebe so viele beeindruckende Menschen, die auf ihrem Gebiet Besseres oder Aufopferungsvolleres hingekriegt haben als ich. Und ich ehre sie gerne ohne Neid.

Natürlich ersetzt abverlangter Respekt spontane Wertschätzung, ja Zuneigung und empfundene Dankbarkeit nicht. Soll auch nicht. Auf letztere hat man kein Recht. Sie sind Geschenk. Das ist eine andere Kategorie. Wäre es nicht besser, ich hätte weniger Verlangen nach Geltung gehabt? Ich glaube nicht. Der Wunsch nach Geltung war schon immer ein wichtiger Antrieb für mich, neben einem wirklich intrinsischen Interesse an den Themen und daran, zur Verbesserung der Welt beizutragen. Hätte ich Themen selbstgenügsam verfolgen wollen, hätte ich mich wahrscheinlich nicht genügend angestrengt, aus meinen Gaben etwas zu machen. Wohl dem, der Passionen hat, auch wenn es nicht immer die edelsten sind.

Vieles ist mir auch zugefallen, ohne dass ich mir das als Leistung zurechne. Zum Beispiel ein meist sicheres Urteil, was vernünftig ist, was Bestand haben kann, was kommen wird und was nicht. Dass uns der Wind des Zeitgeistes heute in unsere Segel bläst, wenn auch Jahre später als ich gedacht hätte, nehme ich als Geschenk und bin dankbar dafür. Allerdings fühle ich uns zu Recht belohnt dafür, dass wir nicht jeder Mode, jeder Wichtigtuerei und jeder schnellen Mark nachgerannt sind, sondern versucht haben unsere Überzeugungen zu leben und intensiv für eine lebenswerte Zukunft zu arbeiten. Dass nun aus den persönlichen Berufstories der Gründergeneration ein gemeinsames, von vielen getragenes, zukunftsfähiges Kultur-Kraftfeld geworden ist, macht mich froh.

Nach und nach habe ich das meiste aus meiner Verantwortung entlassen. Ich muss nirgendwo reinreden, nur um mich wichtig zu fühlen. Ich kann leicht loslassen, wenn ich erlebe, dass andere, meist jüngere Weggefährten eigenständig, kompetent und mit Liebe übernehmen.

Mir selbst bleibt noch viel, dem ich mich zuwenden will und was mein Leben bereichert. Ich darf noch viel und muss wenig, außer dem, was wir alle müssen.

 

 

Kommentare

Von: Andrea Martha Brunner

Eine tolle Idee - es hat mir viel Freude bereitet es zu lesen - die
Beurteilung des Arbeitsamtes zeigt glücklicherweise dass wir doch ein
bisschen weiter gekommen sind - es ist schön, lieber Bernd, dass du deine
Frau mit einem schönen Foto erwähnst.

Herzlichen Glückwunsch dazu!

Viele Grüße
Andrea

Von: Günter Josef Mohr

Lieber Bernd,

wenn es für Dich o.k. ist. könnte ich die Laudatio, die ich für Dich in
Berlin gehalten habe, hier anfügen. Leider ist sie schriftlich noch nicht in
der guten Form, deshalb Geduld.

Habe jetzt gerade mein zwölftes Buch ("Resilienzcoaching") veröffentlicht,
da kann man von einem gewissen Drang nach außen, ausgehen. Ich bin bewusst
ins Spannungsgebiet (Naher Osten) gegangen, habe Krieg gespürt. Außerdem
habe ich selbst als Zen-Praktizierender viele Tage mit diesem Thema
gesessen. Dies tun wir im Zen so, das Thema da sein lassen und Du kannst
nicht agieren, weglaufen, ausagieren. Es bleibt, solange es will und
ergründet sich in Dir. Du gehst innerlich durch alle Höllen. Meine conclusio
und innere Erfahrung aus allem: Geltung erfahren, kommt nicht aus
Kindheitsdefiziten. Die nicht zuhörende Mutter ist ausnahmsweise aus dem
Schneider. Ich selbst habe es schon ins Leben mitgebracht und meine arme
Mutter musste damit umgehen. Im Zazen (langes Sitzen) läutert es sich und Du
wird zu reinen Kraft. Es geht nicht mehr um die Anerkennung durch den
anderen, das Schulterklopfen, es geht darum, dich selbst mit deinen Gaben in
die Welt zu bringen, dein "Selbst" anzuerkennen, könnte man sagen. Da ist
etwas "beyond script", eine Gabe, ein Talent, ein Auftrag.

Da ist eine große Erlaubnis im Leben, dass jeder sich leben darf. "Leela",
das Spiel des Lebens, wie es in der indischen Philosophie genannt wird, fügt
es zusammen.

Günther Mohr

Von: Birgit

Spannende Selbstreflexion - schön, dass Sie die Anerkennung erleben durften.
Ich glaube schon seit längerem, dass - unabhängig davon, wie sich Menschen
verhalten - es praktisch immer um Anerkennung geht. Oft frage ich mich,
warum Menschen meist nur schwer in der Lage sind, sie anderen zukommen zu
lassen.
Ich wünsche Ihnen noch viele spannende und bereichernde Begegnungen.

Von: Marc Klammer

Lieber Bernd,
vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich finde Du hast es gut auf den Punkt
gebracht. Das Verlangen nach Geltung gehört zu guter Arbeit einfach dazu.
Und ehrliche, von herzen kommende Bescheidenheit lässt die verdiente Geltung
erst richtig entfalten.
Viele Grüße, Marc

Von: Michael Loebbert

... vielleicht noch eine soziologische Perspektive: "Geltung" wäre dann auch
Schwester und Vorausssetzung gesellschaftlicher Wirksamkeit. Darum gehört es
auch zu meiner Professionalität, meine Geltung im Auge zu behalten, und wo
nötig, auch ein wenig zu befördern.
Herzlich, Michael.

Von: Gerhard Kern

Neben dem thema >verlangen nach geltung< gehts in diesem text doch auch darum, wie sich dieses bedürfnis nach anerkennung und würdigung denn weiter gestaltet, wenn der berufliche weg geendet und die ruhestandsphase begonnen hat, wenn jüngere kollegInnen "das spiel machen" und die fach-öffentliche aufmerksamkeit auf die eigene lebensleistung nachlässt.
meine persönlicher umgang mit dieser frage:
in dieser situation habe ich mich dem instrumentenbau zugewandt (was immer schon latent vorhanden war), arbeite nun mit musikern, komponisten, orgelbauern und organisten zusammen, entwickle instrumente und klangmaschinen, die es bisher nicht gab und erlebe nun eine art von anerkennung und würdigung, die es so früher nicht gab, eben anders, oder anders erlebt, auch anders erarbeitet.
man kann mich in meiner werkstatt besuchen - auch das schafft neue erfahrungen für einen nun 72-jährigen.

herzliche grüsse
g
k

Von: Gerhard Evers


Lieber Herr Schmid,

ich kann Ihre Gedanken sehr gut nachvollziehen und finde es wichtig, dass Sie diese offenzulegen. Vielen Dank.

Möglicherweise kommt auch noch eine wichtige Motivation hinzu. Der Wunsch im Leben Spuren - darf man sagen ein Lebenskunstwerk - zu hinterlassen, was wahrgenommen und betrachtet werden darf, während wir noch leben und nicht erst als Erinnerung hinterher.

Ich freue mich weiter auf die ein oder andere Reflektion.

Herzliche Grüsse

Gerhard Evers

Von: Luzia Grommes

Lieber Bernd,

ich habe Deinen Blog mit Freude gelesen. Danke für die persönlichen
Ausführungen - denke, es ist das Ziel ode r der Wunsch vieler Menschen und
auch von mir - im "Alter" zufrieden zu sein im Rückblick auf mein Wirken.
Weiterhin viel Freude bei den weiteren Vorhaben!

(denke gerade an Dein im Blog erwähntes persönliches Gesundheitsprojekt -
Essen...Abnehmen)

Luzia

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